Pilgern in das Heilige Land als religiöse Erfahrung (Andachtsübung)
DOI:
https://doi.org/10.12775/PCh.2009.005Abstract
Der Mensch ist ein Lebewesen, welches in der Lage ist, sich nicht nur in der für Tiere gewöhnlichen Art und Weise fortzubewegen (unveränderliche Pfade und Trajektorien). Der Mensch ist unabhängig von Pfaden, die vom Instinkt vorgegeben werden, daher werden ihm seine Wege nicht nur von der Lebensnotwendigkeit sondern auch vom Interesse, als auch vom geistigen Bedürfnis gewiesen. In der zuletzt genannten Kategorie befindet sich das Pilgern als religiöse Erfahrung. Es geht um das Erkunden von Orten, an denen die Anwesenheit oder Wirksamkeit der geistigen, übernatürlichen Welt zu spüren ist. Seit jeher war das menschliche Wesen empfindlich für derartige Phänomene. In allen Religionen lassen sich die Symptome dieser Empfindlichkeit sowie auch des Pilgerns erkennen. Das Land Israels, welches auch heilig genannt wird, verdient es, diesen Titel zu tragen ebenso wie das Ziel von Wallfahrten zu sein; aus Sicht der Juden und der Christen aus zwei verschiedenen, doch im Grunde sich ergänzenden Gründen. Für die Juden aus, nennen wir es, dogmatischen Gründen: Der Gott Israels wählte dieses Land zu seinem besonderen Eigentum aus und überlies es seinem Volk, damit jenes es bewohnen, den Unsichtbaren ehren und so seine historischen Botschaften als Zeuge des einzigen und wahren Gottes erfüllen konnte. In der eschatologischen Zukunft wird dieses Land das Königreich des Messias sein. In diesem Land zu leben bedeutet für die Juden alle Gebote Gottes treu zu befolgen. Untreue droht mit dem Verlust dieser Gabe, aber auch mit der Verbannung und Zerstreuung. Wie früher, so fühlt sich auch heute noch jeder Jude mit dem Gebot verbunden, dreimal im Jahr die Heilige Stadt zu besuchen und wenn er in der Diaspora lebt, so mindestens einmal im Leben zur Klagemauer, den verbliebenen Reliquien des Tempels, zu fahren. Im darauf folgenden Jahr tauscht man sich in Jerusalem Wünsche zum Paschafest aus. Für die Christen ist Israel vor allem deswegen das Heilige Land, da Gottes Sohn zum Menschen wurde, zum Nachfahren Davids. In Bethlehem geboren, lebte er in Nazareth über 30 Jahre lang, in denen er für kurze Zeit dieses Land kreuz und quer als wandernder Lehrer durchstreifte; doch sein Leben nahm vor allem in Jerusalem seinen Lauf, wo er zum Tode verurteilt am Kreuz gestorben und am dritten Tag von den Toten auferstanden ist. Sein leeres Grab ist ein Zeichen und eine Erinnerung an sein besonderes und das Land Israels segnendes Leben. Nach Jerusalem und zu anderen heiligen Stätten pilgernde Christen verehren vor allem die Erinnerungen an den Aufenthalt von Jesus Christus, des Gottes-Menschen, an diesen Orten. Im Verlauf der Jahrhunderte wurde das Interesse an jenen Orten und an jenen Objekten, die mit Jesus und den Heiligen aus beiden Testamenten in Verbindung gebracht werden, im Gegensatz zu den ersten Generationen der Urkirche, immer lebendiger. Die mit dem Reisen verbundenen Schwierigkeiten schreckten dabei die Gläubigen nicht ab: Unbequemlichkeiten, Gefahren, das Fehlen von Unterkünften und die mangelnde Versorgung, die Feindseligkeit der Andersgläubigen, die Eventualität zu erkranken sowie die Gefahr von Epidemien. Die byzantinische Periode kann man in Bezug auf das Pilgern auch als goldene Periode bezeichnen. Seitdem sich heilige Orte unter der Kontrolle von Anhängern des Islam befanden (638 n. Chr.), reifte im westlichen (lateinischen) Christentum der Gedanke an die Eroberung jener Orte der Erinnerungen an Christus, bis er sich in Form der Kreuzzüge (1096–1291) äußerte. Deren Niederlage war die Folge einer fehlerhaften militärischen Politik, Naivität sowie fehlender Diplomatie. Doch auch nach dem Zusammenbruch der Idee der bewaffneten Eroberung des Grabes von Christus und anderer Orte, machte die Welle des Pilgerns nicht halt und hält bis heute noch an. Tausende Pilger kommen jedes Jahr nach Israel um unvergessliche Tage an Orten zu verbringen, die mit Jesu Leben und Leiden verbunden werden. Angefangen von den Kreuzzügen fehlte es im Verlauf der Jahrhunderte auch nicht an polnischen Pilgern. Die polnische Anwesenheit im Land, das Abraham versprochen war, macht sich deutlich und unterstreicht in diesem Sinne die lebendige Verbindung des Landes an der Weichsel und des Landes am Jordan. Die Reise des polnischen Papstes im Jahr des Großen Jubiläums (im Heiligen Jahr 2000) verfestigt die Andachtsübung, welche das Pilgern der Christen an heilige Orte darstellt. Gleichzeitig, es deutet so vieles darauf hin, befinden wir uns in der Erwartung auf die Pilgerfahrt Seines Nachfolgers in dieses Land.
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